Eine Brücke zurück ins selbstbestimmt Leben – die psychiatrische Tagesklinik in Bad Vilbel

Aug 24 2017

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Die Bad Vilbeler Außenstelle der Klinik für Psychiatrie in Friedberg verbessert die psychiatrische Versorgung in der südlichen Wetterau. Eine wohnortnahe medizinische Versorgung ist das Ziel: Erkrankte Menschen sollen kurze Wege zu den Einrichtungen haben, in denen sie Hilfe erhalten können. Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch besucht die unlängst eröffnete Einrichtung.

2003 wurde – seinerzeit noch unter der Trägerschaft des Wetteraukreises – in Friedberg die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit insgesamt 100 Behandlungsplätzen in Friedberg eröffnet, darunter eine Tagesklinik sowie eine Institutsambulanz. 2012 erfolgte die Erweiterung in die östliche Wetterau mit der Inbetriebnahme der 20 Plätze bietenden psychiatrischen Tagesklinik im Niddaer Stadtteil Bad Salzhausen.

Seit April diesen Jahres ergänzt die20 Plätze umfassende psychiatrische Tagesklinik mit Institutsambulanz in Bad Vilbel das Angebot in der Wetterau. Ziel tagesklinischer Behandlungskonzepte ist es, psychiatrisch erkrankten Menschen einen Übergangsraum anzubieten zwischen ambulanter Psychotherapie und vollstationärer Behandlung.

„Die Lücke im Süden des Versorgungsgebietes des Gesundheitszentrums Wetterau wird mit der psychiatrischen Tagesklinik nun geschlossen. Die wohnortnahe Betreuung von psychisch erkrankter Menschen, die mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Friedberg in 2003 und der 2012 eröffneten psychiatrischen Tagesklinik in Bad Salzhausen, begonnen wurde, hilft den Betroffenen wieder ein stabiles Leben in ihrem gewohnten Umfeld zu leben.“, lobt die Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Christine Jäger der Wetterauer Konzept.

Lichtdurchflutet, offen und hell gestaltet, bietet die Klinik im ersten Stock des ehemaligen Woolworth-Gebäudes eine wohltuende Atmosphäre in modernem funktionalem Design.

In Bad Vilbel stehen die vorhandenen 20 Plätze der Tagesklinik Patienten mit allen psychiatrischen Krankheitsbildern zur Verfügung, die auch in der Klinik für Psychiatrie in Friedberg therapiert werden. Dort gibt es vier Stationen mit den jeweiligen Behandlungsschwerpunkten Depression, Soteria (psychotische Krisen), Gerontopsychiatrie (altersbedingte Krankheiten wie Demenz) und Sucht.

„Früher ging es nur darum, Langzeitpatienten vollstationär medizinisch zu betreuen, nun gilt es, ein Weiterleben im gewohnten Umfeld zu fördern, die Bindung zu den Angehörigen zu erhalten.“; so Reimund Becker.

Eine psychiatrische Tagesklinik stellt ein ambulantes Therapieangebot für psychisch behandlungsbedürftige Patienten dar. Sie ist quasi Bindeglied zwischen der stationären Krankenhausbehandlung und der Betreuung durch niedergelassene Ärzte, Psychologen oder andere Berufsgruppen.

„Durch die Tagesklinik hier in Bad Vilbel können die Patienten ihre sozialen Beziehungen, die Einbeziehung von Partner und Familie, besser aufrechterhalten. Durch den täglichen Wechsel zwischen Therapie und Realität sind zudem die Trainings- und Überprüfungsmöglichkeiten und damit die Fortschritte in der Behandlung höher als bei stationärer Behandlung.“, führt Stephanie Becker-Bösch aus. „Ziel ist es, dass die Patienten viel über sich selbst lernen und vor allem ihre Widerstandskräfte mobilisieren, die den Heilungsprozess immens unterstützen Das multiprofessionelle Team hier in der Psychiatrischen Tagesklinik Bad Vilbel ist bestens aufgestellt, um diesen Prozess zu unterstützen.“

In einer Tagesklinik wird im Prinzip die gleiche Diagnostik und das gleiche Therapieangebot wie in einer psychiatrischen Klinik vorgehalten, allerdings schlafen die Patienten nicht in der Klinik sondern zu Haus. Die Behandlung erstreckt sich (zumeist) auf die Tage Montag bis Freitag von morgens bis in den Nachmittag. Abends und am Wochenende verbringen die Patienten wieder im häuslichen Umfeld. Dort werden sie mit den Problemen des Alltags konfrontiert, erleben aber auch die Unterstützung durch Freunde und Verwandte. In der Therapie erarbeitete Veränderungsansätze können so in der Praxis erprobt, Ängste überwunden und verlorene Sicherheit zurück gewonnen werden.

Die ersten Patienten haben die Tagesklinik ohne Betten bereits kennengelernt, wurden zur teilstationären Behandlung aufgenommen. Anna H. berichtet von ihren Erfahrungen:
„Außer, dass ich traurig, in vielen Dingen hoffnungslos und oftmals mit mir und meinem Leben überfordert war, wusste ich zunächst gar nicht, was mein eigentliches Problem ist. Ich habe nicht verstanden, warum es mir schlecht ging. Ich fühlte mich leer, hoffnungslos, ziemlich verzweifelt, unsagbar traurig und nahezu permanent niedergeschlagen. Mit meinen Gedanken war ich immer öfter in einen Strudel geraten, bei welchem ich keinen Ausweg fand. Doch die Tagesklinik hier hilft mir unheimlich gut: Jeden Morgen treffen wir uns im Gruppenraum zur Morgenrunde. In welcher Stimmung bin ich? Wie habe ich meinen gestrigen Abend verbracht? Und was ist mir heute schon schönes aufgefallen? Das sind die drei Standardfragen am Morgen. Das mag banal klingen, doch wenn man depressiv ist, dann ist der Blick getrübt von allen Problemen und Ängsten. Doch wie oft sind es doch Kleinigkeiten, die uns ein kurzes Lächeln ins Gesicht zaubern? Das müssen wir Depressive lernen – dass es noch Schönes um uns herum gibt!
Wer unter Depressionen leidet, der befindet sich mit seiner Umfeld und sich selbst im Chaos. Unstrukturiert und unorganisiert verläuft der Tag. Man hat oftmals nicht die Kraft und den Antrieb aufzustehen, den Haushalt in Ordnung zu halten, sich zu konzentrieren oder den Mut, sich mit etwas neuem zu beschäftigen. Die Zeit hier in der Tagesklinik dient bei mir vor allem dem Wiedererlernen einer Tagesstruktur, der Krisenintervention und der intensiven Bearbeitung eines Themas, eines traumatischen Erlebnisses.
Bald werde ich die Klinik verlassen, der Grundstein für mein weiteres Leben wurde hier gelegt. Meine Arbeit an mir werde ich direkt im Anschluss in einer ambulanten Therapie fortsetzen.“

Bildunterschrift: Stephanie Becker-Bösch mit dem Arbeitskreis der SPD in der Klinik
 

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