Was ist rechtliche Betreuung ? Unterstützung für erkrankte und behinderte Menschen

Sep 28 2018

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Entmündigung gibt es nicht mehr“, so Gesundheitsdezernentin Stephanie Becker-Bösch einführend, seit 1992 hat die rechtliche Betreuung das alte Vormundschaftsrecht abgelöst. Seit dem unterstützen rechtliche Betreuer Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Rechtliche Betreuer werden dabei zu einem rechtlichen Stellvertreter für die erkrankte oder behinderte Person. Diese können im Namen der Betreuten mit deren Einverständnis handeln.

„Allein im Wetteraukreis haben 2018 rund 4.400 Menschen eine rechtliche Betreuungsperson an ihrer Seite“; führt Marco Behrendt, Leiter der Fachstelle Sozialmedizin und Betreuungsbehörde, aus. In mehr als 60% wird die rechtliche Betreuung ehrenamtlich durch Familienangehörige oder Bekannte der betreuten Person übernommen. Bei ca. 1.700 Betreuungen wurde eine Betreuungsperson bestellt, die die rechtliche Betreuung berufsmäßig ausübt. Im Wetteraukreis sind aktuell 70 Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer selbstständig tätig. Bei der Auswahl der Betreuungsperson können die Betroffenen selbstverständlich Vorschläge und Wünsche äußern, da zwischen Betreuer und Betreuten ein Arbeitsbündnis geschlossen werden soll, das auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basiert.

„Ob eine rechtliche Betreuung für einen Menschen im Wetteraukreis eingerichtet und welche Person als Betreuer bestellt wird, entscheidet ausschließlich ein Richter an den Amtsgerichten Büdingen, Friedberg oder Frankfurt am Main. Die Gerichte bedienen sich bei der Ermittlung des Sachverhaltes vor Ort der Betreuungsbehörde. Diese ist auch zuständig für die Umsetzung von richterlichen Beschlüssen im laufenden Betreuungsverfahren“, so Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch.

„Im Wetteraukreis ist die Betreuungsbehörde ein Bestandteil der Kreisverwaltung. Sie ist  im Fachdienst Gesundheit & Gefahrenabwehr in Friedberg organisiert. Aktuell arbeiten neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Behörde. Sie bilden ein multiprofessionelles Team bestehend aus Psychologen, Sozialarbeitern und Verwaltungskräften, die aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln die optimale Unterstützung für Menschen mit Betreuungsbedarf ermitteln“, erläutert Marco Behrendt, der einen typischen Fall der Betreuungsbehörde schildert:

Ein 50jähriger Mann aus der westlichen Wetterau leidet seit über 20 Jahren an einer ausgeprägten psychischen Erkrankung, die seine Wahrnehmung, sein Denken und sein Handeln massiv beeinflussen. So glaubt dieser von einer Geheimorganisation in seiner Wohnung mittels Abhörgeräten überwacht zu werden. Aus diesem Grund konnte er sich in seiner Wohnung nur in Begleitung aufhalten und hat sich Tag und Nacht im öffentlichen Raum bewegt. Er hat seine Post nicht geöffnet und seine Körperpflege vernachlässigt. Auch hat die Kündigung der Wohnung im Raum gestanden, da der Betroffene keine Miete mehr gezahlt hat. Er hat lautstark, insbesondere in den Nachtstunden, geschrien, in der Hoffnung, so die Mitarbeiter der Geheimorganisation vertreiben zu können. Besorgte Mitbürger haben daher für den Betroffenen am Amtsgericht eine rechtliche Betreuung angeregt.

Das Gericht ist nun verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen, insbesondere ob der Betroffene Hilfe in Form einer rechtlichen Betreuung wünscht und benötigt. Die Betreuungsbehörde hat nun den gerichtlichen Auftrag mit dem erkrankten Menschen zu sprechen und seine Hilfsbedürftigkeit zu ermitteln. Dabei gilt es vorrangig den Betroffenen mit Respekt zu begegnen, die individuelle Lebensführung zu berücksichtigen und zu vorrangigen ambulanten Hilfen zu beraten.

Im Wetteraukreis existiert ein umfassendes und vielfältiges Hilfesystem, um erkrankten Menschen ein weitestgehend selbstständiges Leben zu ermöglichen. Es ist dabei jedoch entscheidend, dass der Betroffene solche Hilfen annimmt und dabei freiwillig mitarbeitet. Gegen seinen Willen können solche Hilfen nicht installiert werden. Ein Wegsperren von insbesondere psychisch erkrankten Menschen ist ultima ratio und obliegt der zwingenden Genehmigung durch einen Richter. 

Im genannten Fall ist es den Mitarbeitern der Betreuungsbehörde zunächst nicht gelungen,  ambulante Hilfen zu vermitteln, da der Betroffene jegliche Unterstützung krankheitsbedingt abgelehnt hatte. Der zuständige Richter hat daher für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung entschieden, da der Betroffene so erkrankt war, dass er aus Sicht eines medizinischen Sachverständigen keinen freien Willen bilden konnte. Da keine Familienangehörigen auffindbar waren, wurde ein Berufsbetreuer vom Gericht bestellt.

Es ist dem bestellten Betreuer nach mehreren zeitintensiven Gesprächen gelungen, seinen Betreuten von einem Arztbesuch zu überzeugen. Mit Hilfe einer fachärztlichen Behandlung konnten die Wahnvorstellungen gemindert werden, so dass der Betreute nun auch bereit und in der Lage war, andere Hilfen zu akzeptieren. Er lebt auch heute noch in seiner Wohnung und erhält dort professionelle aufsuchende Hilfen.

„Nicht immer lassen sich Menschen auf diesem Wege helfen. Insbesondere bei langjährigen chronifizierten Erkrankungen schlägt eine medikamentöse Behandlung nicht mehr an. Doch auch dann haben diese erkrankten Menschen das Recht, innerhalb der Gesellschaft zu leben und nicht in einer Anstalt verwahrt zu werden. Dies ist eine der Grundforderungen der EU-Behindertenrechtskonvention, die auch für das deutsche Betreuungsrecht maßgeblich ist“, so Abschließend Stephnaie Becker-Bösch.

Der Berufsbetreuer Eberhard Marten, lädt am Freitag, den 14. September 2018 von 10.00 bis 16.00 Uhr alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu einem Tag der offenen Tür in sein Betreuungsbüro in Ranstadt, Untergasse 3, ein. Der Wetteraukreis unterstützt Herrn Marten bei dieser Veranstaltung.

Auch sucht die Betreuungsbehörde des Wetteraukreises aktuell neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Personalabteilung des Wetteraukreises.

Bildunterschrift: Marco Behrendt und Gesundheitsdezernentin Stephanie Becker-Bösch

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